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Oft verknüpft man Worte mit bunten Bildern im Kopf. Voller Klischees, Erfahrungen, Erinnerungen oder auch einfach aus Unwissenheit.

So ging es mir, als ich den Auftrittsort für das Hamburger Konzert von Kevin Morby las: Club!Heim.

Mit Ausrufezeichen. Wohl eher Club als Heim.

Mir schossen sofort Bilder von Pokalen hinter staubigen Glasvitrinen, Wimpeln, Holzbierfässern als Stehtische, abwaschbaren Tischdecken, dunkelbraunen Fliesen und holzvertäfelten Wänden durch den Kopf. Dazu dieser eigenwillige Duft nach kaltem Zigarettenrauch und abgestandenem Bier. So „schlimm“ wird es nicht werden, dachte ich und fuhr frohen Mutes nach Hamburg, um Kevin Morby nach dem Konzert im Mai im Berliner Lido in diesem Jahr erneut sehen zu können.

Nach einer kleinen Odyssee durch den sonnigen Schanzenpark gelang es mir, den Veranstaltungsort zu finden. Als ich um die Ecke bog, begrüßte mich auf einem beleuchteten Eingangsschild bereits ein röhrender Hirsch. Schmunzelnd und erwartungsfroh begab ich mich zum Eingang. Das Club!Heim liegt „Among The Branches Of Beech“, so auch der Name der Konzertreihe, die dort eine Reihe von Künstlern präsentiert.

IMG_5084Die Örtlichkeit erfüllte fast all meine „Befürchtungen“.  An einen kleinen Vorraum schließt sich der Club!Raum an. Holzgetäfelte Decken und Wände sowie dunkle Fliesen verstärken den gedrungen Eindruck des kleinen Raumes. Diffuses Licht und eine kleine Bühne bieten Aussicht auf ein feines Club! Konzert. Nah am Künstler und dessen Aufführung. Ein paar Tage zuvor beim großen „La Route de Rock“ Festival spielte Kevin Morby noch vor Hunderten von Besuchern, an diesem Abend fanden sich zum heutigen Konzert schätzungsweise 100-150  Besucher in dem ausverkauften Club!Heim in Hamburg ein.

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Die Kevin Morby Live Group spielte ein atemberaubendes Konzert. Das Hamburger Publikum war der würdige Rahmen für diesen Abend an diesem bemerkenswerten Ort. Dass zur Mitte des Konzertes das Licht im Raum komplett erlosch, war eine fabelhafte Idee. Die atmosphärische Dichtheit, die dieser Club!Raum bietet , wurde durch das schwache rote Licht auf der Bühne und den dunklen Raum noch verstärkt. Jeder Griff an den Instrumenten, die Mimik und Gestik der Künstler, jede Schweißperle war sichtbar. Das Publikum verschmolz förmlich mit der Band und lauschte, insbesondere in den  leisen Momenten des Abends, andächtig. Das war toll.

Meg Duffy an der Gitarre beeindruckte mich an diesem Abend besonders. Ihre Solos z.B. bei „Destroyer“ oder „I‘ve been to the Mountain“, ihr Bottleneck-Spiel bei „Tiny Fire“ sowie das „Ausreizen“ des Tremolos bei „Singing Saw“ waren an diesem Abend außerordentlich präsent.

Die Setlist bestand aus den Songs, die wir im Mai im Lido hören konnten und manche Variation war deutlich hörbar, so z.B. Kevins Mundharmonika-Einsatz bei „Parade“. Die rockigen Songs in diesem schmalen Raum waren allesamt nochmals faszinierender als im Lido. Berührend war auch, dass Kevin „Black Flowers“ und „No Place to Fall“ in der Solo-Version wie im Mai zum Besten gab.

Zum Abschluss des Konzertes überraschte uns Kevin allein an der Gitarre mit einem neuen Song: „Beautiful Strangers“, der sich musikalisch und inhaltlich in sein bisheriges Œuvre großartig einbettet.

Verschwitzt und glücklich traf ich Kevin noch im Anschluss und ich danke Kevin für die sehr persönliche Geste, mir an diesem Abend, nachdem er mich im Publikum erkannt hatte, „Miles, Miles, Miles“ zu widmen.

Der Abend klang bei netten Gesprächen im sommerlichen Hamburg wunderbar aus.

Und beim Verlassen des Club!Geländes röhrte der Hirsch.

Ich blicke mich um und lächelte.

Bis zum Konzert im November in Berlin, Kevin!

Setlist:

  1. Cut Me Down
  2. Dorothy
  3. Harlem River
  4. All of My Life
  5. Destroyer
  6. I Have Been to the Mountain
  7. Tiny Fire
  8. Miles, Miles, Miles
  9. Singing Saw
  10. Black Flowers
  11. No Place to Fall (Townes van Zandt)

Encore 1:

  1. Parade
  2. The Ballad of Arlo Jones

Encore 2:

  1. Beautiful Strangers (new Song)