Es ist viel passiert, seit wir Public Service Broadcasting vor rund zweieinhalb Jahren zum ersten Mal in Münster live sahen. Mit Ihrem Album Race for Space starteten sie eine erfolgreiche Tour, die sie zu außergewöhnlichen Auftrittsorten wie dem Lovell Telescope oder unten die Tragflächen des Space Shuttles Enterprise im Intrepid Sea, Air and Space Museum führte. In der Brixton Academy entstand mit erweitertet Besetzung ein schönes Livedokument der Tour. (Werbelink)
Danach ging es ins Studio. Für das Album Race for Space hatte die Band ein Thema gewählt, das von globaler Bedeutung war. Mich als Raumfahrt-Fan begeisterte es besonders. Für ihr neues Album Every Valley widmete sich die Band dem Strukturwandel im walisischen Kohlebergbau. Ein Themenkomplex dessen Arbeitskämpfe es in unsere Englisch-Schulbücher geschafft hatten, aber eben doch ein sehr lokales englisches Thema. Auch Bochum ist eine Stadt mit Bergbaugeschichte, aber hier hat man den Strukturwandel besser gemeistert. Das, was die englische Seele belastet ist für den deutschen Hörer weniger greifbar oder gar faszinierend. Mich sprach das Album daher gar nicht an, der Funke zündete irgendwie nicht. Daher sparte ich mir auch einen Besuch der letztjährigen Tour. Die aktuelle EP White Star Liner handelt vom Bau der Titanic in Belfast. Wieder nicht zwingend ein Thema für uns hier in Kontinentaleuropa. Trotzdem gaben wir der Band eine zweite Chance, schließlich hatten wir an das erste Konzert nur gute Erinnerungen.
In der letzten Woche trat die Band aus Südlondon noch in der ausverkauften Royal Albert Hall in London auf. Heute spielen sie in der Bochumer Rotunde vor einem überschaubaren Publikum vor rund 150 Fans. Der Raum erinnerst stark an das Gleis 20 in Münster. Tiefe Decke, kleine Bühne, Band in Griffweite. Eigentlich kann sich so eine Tour bei Ticketpreisen von 18 Euro kaum rechnen. Konzertveranstalter Karsten Jahnke glaubt an die Band und hatte in der Vergangenheit schon oft ein gutes Händchen bei der Künstlerauswahl. Wir wünschen ihm, dass sich seine Investition in den nächsten Jahren auszahlt.
Das Licht geht aus, David Bowie stimmt die Besucher mit Sound and Vision auf das Konzert ein. Interessante Soundgebilde erwarten uns definitiv. Die Band verzichtet allerdings auf analoge Gitarren- oder Bassverstärker auf der Bühne. Die Signale gehen von der Gitarre, durchs Pedalboard direkt ins Computer-Rack. Die bescheiden dimensionierte PA sorgt an diesem Abend für einen guten, aber keinen fetten Sound. Auch der Vision- Anteil erinnert in der Rotunde Bochum ehr an einen überschaubaren Dia-Abend. Die eigentlich wunderbare Illustration der Songs durch die alten Dokumentationsfilme benötigt definitiv mehr Fläche, als an diesem Abend mit Beamer und Aufroll-Leinwand bei den örtlichen Gegebenheiten realisierbar ist.
Wie bei den meisten Konzerten standen Public Service Broadcasting in der üblichen drei-Mann-Besetzung auf der Bühne. Neben dem J. Willgoose, Esq., dem Kopf der Band und seinem Partner Wrigglesworth an den Drums verstärkte Multi Instrumentalist JF Abraham, der „alles spielt was man ihm in die Hand drückt“ die beiden.
Auch wenn die Band bei den beiden neuen Werken ihrem Konzept treu blieb, Tonspuren alter Dokumentationsfilme als narratives Grundgerüst Ihrer Songs zu verwenden, erkennt man eine deutliche Weiterentwicklung in ihrem Schaffen und ihrer Perfomance. Der Progress ist nicht nur in der Setlist, sondern auch spürbar. Kommunizierte die Band damals noch ausschließlich per Sprachcomputer mit dem Publikum, lässt sich J. Willgoose, Esq. inzwischen zu längeren Ansagen ans Publikum hinreißen. Außerdem singt (!) er sogar, ok, mit stark computerverzerrter Stimme, aber er singt! Generell hat man den Eindruck, die Band bewegt sich mit der zwischenzeitlich gesammelten Erfahrung viel entspannter auf der Bühne als noch vor 2 Jahren.
Das Konzert beginnt gleich mit Stücken vom Every Valley gefolgt von einem Block von Klassikern aus dem Race for Space Album. In dieser Verpackung, ohne die fremden Gesangsstimmen wie auf der Albumversion, fügen sich die neuen Songs gut in die Setlist ein. Das gilt auch für die Stücke der neuen White Star Liner EP. Mit den großartigen Songs Spitfire, The Other Side und Go! Schließt das eigentliche Set. Die Zugaben darf dann der „Krach-Song“ All Out vom Every Valley eröffnen, bevor Gagarin und der Everst ein wunderbares Konzert beenden.
In so einem intimen Rahmen ist man nah an der Band dran und kann gut beobachten, wie die doch vielfach komplexen Klanggebilde von den drei Musikern live erschaffen werden. Es ist faszinierend, J. Willgoose, Esq. dabei zu beobachten, zu sehen, wie seine Hände zwischen Sequenzern, Keyboard, Midi-Touchpads und Gitarren- (oder Banjo-)Saiten hin und herfliegen, während er mit dem Fuß Soundsequenzen über das Looppedal durch die Songs kreisen lässt. Hier werden Songs live zusammengebaut, die anderswo aus der Konserve kommen. Diese komplexe Arbeit entschuldigt dann auch die überschaubare Konzertdauer von knapp 90 Minuten. Für den bereits erwähnten Ticketpreis von 18 Euro eine wahres Schnäppchen. Wir warten auf die nächste Tour – mit größerer Leinwand.
Setlist
- The Pit
- People will always need Coal
- Theme from PSB
- Sputnik
- Korolev
- Valentina
- Progress
- They gave me a Lamp
- The unsinkable Ship
- White Star Liner
- Spitfire
- The Other Side
- Go!Encores:
- All Out
- Gagarin
- Everst
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