Legendär: Neutral Milk Hotel sind nach 15 Jahren Pause wieder in Originalbesetzung auf Tournee und besuchten den ausverkauften Berliner Postbahnhof. Geboten wurde ein Potpourri aus den beiden, in den 90er- Jahren veröffentlichten Alben On Avery Island und Indie-Großtat In The Aeroplane Over The Sea sowie einigen Songs, die -teilweise nachträglich- auf Singles und EPs veröffentlicht worden sind. Schratig-schrullig gestaltet sich der gesamte Auftritt: Jeff Mangum und Scott Spillane hatten sich für einen Look irgendwo zwischen Che Guevara und Torfrock entschieden und die Musiker veranstalteten ein geschäftiges Instrumentenkarussell mit singender Säge, Kirmesorgel, Quetschkomonde und Banjo.

Bassist und Banjo-ist Julian Koster erwies den Grimm’schen Märchenfiguren Rotkäppchen und Rumpelstilzchen die Ehre. Dazu wurden der Bandsound mit Waldhorn, Posaune und Trompete ausgeschmückt – die Lieder kamen so vergleichsweise nah an den ursprünglichen Aufnahmen zur Aufführung. Leider war den im Postbahnhof der Ton – zumindest an meiner Postion in Nähe des Mischpultes – so grottig abgemischt, dass die erste Viertelstunde in einem völlig matschigen, Bass-überteuerten Chaos unterging. Tweedys Gesang war kaum zu hören, einzig die Bläser konnten sich halbwegs durchsetzen. Naja. Der Postbahnhof ist mit seiner Stahl-Holz-Dachkontruktion vermutlich eh akustisch nicht besonders gut beherrschbar, die Dynamik zwischen akustischen Lagerfeuer-Songs und schmutzigem Fuzz-Gedonner war wohl zu viel des Guten. Später wurde es etwas besser. Gut klang es allerdings auch dann nur bei den von Magnum solo vorgetragenen Songs, die mich immer wegen Ihrer Verschrobenheit und Eindringlichkeit immer wieder an die Syd Barrett-Soloplatten erinnern.
Höhepunkte für mich waren die Klassiker aus Aeroplane: Two Headed Boy, Oh Comely, die bezaubernde 3/4-Takt-Hymne In The Aeroplane Over The Sea sowie der zarte Raussschmeißer Engine. Gut gefallen hat mir auch das Outro des Snow Song, bei dem eine aufsteigene Akkordfolge per Geigenbogen auf dem Bajo angeschlagen wurde – verrückte Töne.

Schön, dass diese legendäre Band wieder tätig ist und es die Gelegenheit die Songs live zu hören. Das unbekanntere Material (im Gegensatz zum halbwegs bekannten Aeroplane-Album) fügt sich von Instrumentierung und Arrangement nahtlos an – vermutlich sind die ab 2011 veröffentlichten Stücke auch Überbleibsel aus dieser Zeit. Auf Konzertlänge wird das Schnittmuster allerdings etwas ermüdend. Viellicht kann die Band mit neuem Material auch den Schritt von der Wiedervereinigung zur Weiterentwicklung ihres Sounds schaffen. Insbesonderne wegen des miserablen Tons ein eher durchwachsener Abend.

Diese Lieder wurden gespielt:

The King of Carrot Flowers Part one
The King of Carrot Flowers Parts two & three
Holland, 1945
A Baby for Pree / Glow Into You
Gardenhead / Leave Me Alone
Everything Is
Two-Headed Boy
The Fool
In The Aeroplane Over The Sea
Naomi
Ferris Wheel on Fire
Oh Comely
Song Against Sex
Ruby Bulbs
Snow Song, Part One
Encore:
Ghost
[untitled]
Two Headed Boy Part two
Engine