Robert Plant Zitadelle Berlin

Auf seiner über 30-jährigen Reise aus dem bleiernen Schatten des Luftschiffes schlägt der lässigste Großonkel des Rock immer wieder neue Haken: Nach Ausflügen ins Country-Gefilde mit Alison Krauss und weiterer Bluesgrass-Wurzelsuche mit dem Nachfolgeprojekt „Band of Joy“ belebt Robert plant seine Jahrtausendwende-Band „Strange Sensation“ als „Sensational Space Shifters“ wieder.
Mit dieser Truppe schlägt Plant den Bogen von Blues über Country, Eastern, Psychedelic zu Trip-Hop. Viele der Stücke sind mit polyrhythmischem Getrommel unterlegt, der Geiger Juldeh Camara webt auf einem einsaitigen Instrument afrikanisch-anmutende Melodiefäden und in die Arrangements. Und bald verschwimmen die Grenzen zwischen dem, was man eben noch für eine klassiche Blues-Phrase, eine arabische oder afrikanische Tonfolge gehalten hat.

[Exkurs: In Karl Bruckmeiers unlängst erschienen Band „The History of Pop“ wird die Bedeutung der Trommel und der Geige als Bindeglied zwischen den Kontinenten zu Zeiten des Sklavenhandels auf ganz eigene Weise ausführlich und plastisch verfolgt. Dort ist sehr spannend nachzulesen, wie sich die Geschichte der Popmusik -mit ihren Wurzeln im Blues- quasi rückwärts über die Musik der Baumwollplantagen, die Sklavenschiffe auf den afrikanischen Kontinent zurückverfolgen lässt. In diesem Zusammenhang interpretiert Robert Plant mit seiner aktullen Band diese Geschichte auf moderne Weise und knüpft verloren geglaubte Verbindungen erneut.]

Erste Überraschung: Das Konzert beginnt, ohne das an Robert Plants Monitor das obligatorische Bündel aus Räucherstäbchen gegaffertaped wurde!
Zweite Überraschung: Plant eröffnet das Konzert mit einer stampfenden Version von „No Quarter“. Gleich zu Beginn wird klar – in dieser Formation nimmt sich Plant stimmliche nicht zurück, sondern kann zum geeigneten Song auch die gereifte, aber immer noch herrlich krakelige – Rockstimme rausholen. Die Hunde der Verdammnis heulen heute Abend wieder – schön!

Mit „Turn it Up“ ist ein weiterer neuer Song im Programm, der neugierig auf das im September erscheinende Album „Lullaby …and the ceaseless Roar“. Das von Plant geliebte „Spoonful“ wird in einer starken Version irgendwo zwischen Cream und Massive Attack dargeboten.
Mit „Rainbow“ haben die Space Shifters einen bezaubernden Zwei-Akkord-Sommerhit verfasst, der von einer schrammeligen Schülerband-Gitarrenstimme vorangetrieben wird. Dazu werden überall auf der die Tamburine und Trommelgeschlagen geschlagen. Zum zauberhaften „Going to California“ landet passenderweise zur „Took my chances on an big jet plane“ ein Lufthansa-Maschine in TXL.
Weitere Höhepunkte: Das unverwüstlich-ewigschöne „Babe, I‘m Gonna Leave You“ ja mit tollem Flamenco-Gitarren-Intro und Break. Und jeder Menge herrlichem Gewimmer und Gefauche von Plant, dessen Stimme auch bei diesem Zeppelin-Klassiker mit den Jahren eigentlich immer nur noch an Ausdruck gewinnt. „Funny in My Mind (Belive Fixin‘ to Die)“ wird einer wuchtigen, pyschedelischen Variante dargeboten, die eine Art Rockabilly-Jam führt – mit einem tollen Schrammel-Solo von Gitarrist Justin Adams, der seine schöne Gitarre dabei mit der flachen Hand versohlt.
Bei „Whole Lotta Love“ donnert die Gitarren knackig los – im Medley mit „Hochie Coochie Man“ und „Who Do You Love“ erweist der Sänger seinen Bluesvorbildern die Ehre. Wie immer ist Plant zu launigen und lustigen Kommentaren aufgelegt – heute abend geht’s natürlich um Fussball – er habe sein Deutsch „mit Hilfe seines Freundes Basti“ aufpoliert und gratuliert uns zum Sieg – den er auf eine Stufe mit dem Klassenerhalt seiner Wolverhampton Wanderers stellt.

„Nobody’s Fault but Mine“ ist mit dem Beim-Sterben-ist-jeder-der-Erste-Banjobegleitung näher am Original von Blind Willie Johnson angelegt, als die hammerharte Start-Stop-Schwindel-Blues vom Presence-Album. Wenn Jimmy Pages umfassendes Led-Zep-Wiederveröffentlichungs-Projekt immerhin zur Folge hat, dass Robert Plant den sensationellen Proto-Metal-Punk-Song „Communiction Breawdown“ vom 69’er Debut-Album ins Programm aufnimmt, ist ja auch schon viel erreicht! Sie letzte Zugabe wir als „uralter Argentinsicher Folksong – vor zwei, drei Tagen geschrieben“ angekündigt. Ein toller Abend bei bestem Wetter in der gut gefüllten Zitadelle.

Die Setliste:

No Quarter
Turn It Up
Spoonful
Black Dog
Rainbow
Going to California
The Enchanter
Babe, I’m Gonna Leave You
Little Maggie
Fixin’ to Die
Whole Lotta Love
Zugabe:
Nobody’s Fault but Mine
Communication Breakdown

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