Im Leipziger Haus Auensee stand der Abschluss der Deutschlandtournee von Nick Mason‘s Saucerful of Secrets auf dem Programm. Mir kam es so vor, als sei die Band in Leipzig noch etwas knackiger und kompakter unterwegs gewesen als am Abend zuvor in Berlin und in Rostock.

Auf jeden Fall nimmt die Spielfreude nicht ab – im Gegenteil. In Stücken wie Interstellar Overdrive wird tatsächlich jeden Abend etwas improvisiert. Da tauchen auf einmal im Mittelteil Sounds und Riffs auf, die sonst nur noch in der Early-Years-Box herumschwirren.

Die Bühne im Haus Auensee wird von einem überbreiten, halbkreis-förmigen Stuckfries beherrscht, der beim geneigten Zuschauer zunächst eine entsprechende Assoziationskette zu den ganz großen Namen auslöst: Crystal Palace Bowl(auch am See), Hollywood Bowl, Radio City Music Hall!

Auf den zweiten Blick erinnert die Jahrhundertwende-Architektur des späteren „Jugend-, Tanz- und Freizeitzentrums“ (ehemals „Luna-Park“ – wie passend!) dann doch eher an die zahllosen „Theatre“ und „Ballrooms“, in den dieses merkwürdige und furiose Frühwerk vor fast 50 Jahren seine Erstaufführung erlebte. Die Wiederaufführung in Leipzig-Wahren war ein -weiteres- Fest.

Während Mason im Berliner Tempodrom schon mal hilfesuchend zu Guy Pratt schauen musste, um einen Anhaltspunkt zu finden, wo er sich eigentlich im Lied befindet und auch mal einen prominenten Wirbel versemmelte, war er in Leipzig immer auf Ballhöhe und fügte ab und an einen extra Schnörkel dazu.

Gleich zu Beginn riss mich ein -stumpfer, aber mächtiger Fill auf Snare und China-Crash-Becken auf dem Höhepunkt des Schrammel-Gitarrenduells in Astronomy Domine regelrecht vom Sitz. Auch Mason freut sich diebisch über solche Momente. Zu sehen, mit welcher Freude er hinter seinen Trommeln sitzt und spürbar wieder aus Spaß an der Freud musiziert, ist ein Genuss.

Die einzigartige Mischung aus augenzwinkernder Altersmilde, spürbarer Aufregung, lakonischer Präzision, beschränkter Technik, intuitivem Ansatz, epischer Dramatik, lässig überspieltem Unvermögen und Abgeklärtheit ist es, die Masons Schlagzeugspiel so unverwechselbar und liebenswert macht.

Mason spielt mit Musikern auf, die selbst Fans sind, aber auf eigene Karrieren in ganz unterschiedlichen Genres zurückblicken und die Band mit Ihrem eigenen Charakter bereichern, ohne jedoch den Geist der Originale zu verfehlen. Gary Kemps Interpretation von Green Is The Colour ist so ein Fall: Natürlich singt er nicht wie David Gilmour, aber die verträumt-jazzige Cocktailbar-Fassung, die hier geboten wird hat Ihren eigenen Charme.

Was noch so hängen bleiben wird:

Wie Guy Pratt das Intro von Obscured by Clouds mit einer Echo-Schleife per Fußpedal schichtet (analog  zu David Gilmours „Sound on Sound“-Effekt im  Shine On Intro) bevor es dann abhebt.

Der Funky Dung-Abschnitt in Atom Heart Mother schiebt mächtig durch die Tanzhalle und lässt mich immer an die ähnliche Sequenz in Echoes denken.

Four to The Floor: Mason tritt im Vorlauf von One of These Days die Viertel auf der Basstrommel durch. Irre! Hat der das 94 auch schon so gemacht? Oder sich von Steve DiStanslao abgeschaut?

Über Arnold, Emily, Henry McClean, Jenifer Gentle, Hereward The Wake, Gerald Mouse und Lucifer Sam verliere ich an dieser Stelle keine weiteren Worte, toll dass sie auch alle dabei waren!

Zu Set The Controls For The Heart of the Sun nur soviel: Der Herzschlag Pink Floyds.

Als wäre der Rest des Konzert nicht schon Freude genug gewesen, müsste man für die würdevolle und vollständige Wiederaufführung von A Saucerful of Secrets allein – wenigstens im Geiste – auf die Knie in den Staub von Pompeji sinken. Diese seltsame Gemisch aus Tonexperiment, freier Improvisation,  musique concrète und episch-archaischer Postrock-Totenklage entfaltet in voller Länge seine ganze Wirkung:  tief bewegend, erhebend. Wahn. Sinn.

Ein wunderbarer Abschluss für zwei tolle Wochen mit Nick Mason und der Saucerful of Secrets in Deutschland. Mit dem Wissen, dass noch ein paar Perlen des fast vergessenen Frühwerks zu bergen sind, verbleiben wir in der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen.

Setlist:

  1. Interstellar Overdrive
  2. Astronomy Domine
  3. Lucifer Sam
  4. Fearless
  5. Obscured By Clouds
  6. When You’re In
  7. Vegetable Man
  8. Arnold Layne
  9. If
  10. Atom Heart Mother
  11. The Nile Song
  12. Green Is The Colour
  13. Let There Be More Light
  14. Set The Controls For The Heart Of The Sun
  15. See Emily Play
  16. Bike
  17. One Of These Days
  18. A Saucerful Of Secrets
  19. Point Me At The Sky

Das Sigge-Rocktours-Team begleitet Nick Mason und seine Saucerful of Secrets in: