Am 2. August 1994 besuchte ich zusammen mit meinem Bruder das Pink Floyd-Konzert im Müngersdorfer Stadion in Köln. Ich war sechzehn und es sollte meine erste Pink Floyd-Show sein und das erste Stadionkonzert, das ich sah. Mein Bruder hatte die Band schon 1989 an gleicher Stelle auf der „Another Lapse“-Tour gesehen und mich mit seiner Begeisterung für die Musik angesteckt.

Wir wollten uns nicht schonen und setzten uns nach dreistündiger Anfahrt erstmal weiter drei Stunden vor den Eingang um auf die Einlass zu warten. Nach den Kontrollen stürzten wir mit einigen hundert anderen Fans ins Stadion um in den „Front of Stage“ Bereich – so nennt man das heute, damals war es wohl eines der ersten Tourneen, die einen Sicherheitsbrecher ca. 30-40 Meter vor der Bühne hatten, in den nur eine begrenzte Zuschauermenge gelassen wurde. Dann warteten wir vor der Bühne noch mal etwa 4 Std. an diesem heißen Sommertag (Eine Cola kostete dort 5 Mark, wenn ich recht erinnere) um unseren guten Platz nicht aufzugeben. Wir standen in Reihe 2 etwa auf Höhe von Gilmours Mikro. Zwanzig Minuten vor Konzertbeginn gab die eingespielte Soundcollage einen ersten Eindruck der Quadrophonie- Tonanlage: Rasenmäher fuhren im Kreis, Wasserplätschern und Froschquaken. Aus Zeitungsberichten (Bravo!) und vom im Italienurlaub “Live Bell”-Bootleg (vom Eröffnungskonzert in Miami), rechnet wir damit, dass das Konzert mit Astronomy Domine beginnen würde – dass inzwischen Dark Side of the Moon ins Programm aufgenommen worden war, hatten wir nicht mitbekommen. (Das Kölner Konzert bestand aus der Standard-Setlist: kein Dark Side of the Moon, kein Poles Apart und On The Turning Away).

Der Konzertbeginn war gleich ein Höhepunkt: Nicht nur das Pink Floyd ein Konzert vor 65.000 Zuschauern mit einem vielen bestimmt unbekannten Frühwerk eröffnen, noch dazu spielten sie es fast ohne ihre vielen Begleitmusiker (nur Guy Pratt und Jon Carin waren noch auf der Bühne) und ohne viele Lichteffekte abgesehen von den Stroboskop beim „Pow Pow“ – zudem war es noch hell) – ein mutiger Auftakt. Gilmour kam lächelnd mit der gelben Telecaster auf die Bühne getappt und schlug die offene E-Seite für das Intro an. Was mir besonders in Erinnerung geblieben ist: Nick Masons Schlagzeug kam extrem laut, druckvoll und dynamisch daher. Nick saß dabei hinter dem riesigen Drumkit, als hätte man ihm gerade eine Tasse Tee serviert: mit völliger Lässigkeit produzierte er dieses Trommelgewitter locker und scheinbar ohne Anstrengung aus dem Handgelenk. Ich habe später noch viele Aufnahmen von Astronomy Domine von dieser Tour gehört, und keine gefunden, die so ein grandioses Getrommel hat wie die von diesem Abend…vermutlich bin ich da ob des abgespeicherten Bildes vom lässigen Nick ein bisschen voreingenommen.

Learning to Fly wurde wie ein Klassiker begrüßt, What Do Want From Me fand ich damals und immer noch sehr stark und denke es wäre vielleicht die bessere Single aus dem Album gewesen. Take it Back war damals wegen der Volkswagenwerbekampagne (kein besonders ruhmreicher Moment in der Pink Floyd-Geschichte) oft zu hören und hat ein eingängiges, an U2 erinnerndes Gitarrenriff — aber es ist kein wirklich starker Song und mit dem Abstand der Jahre nicht wirklich besser geworden. Der nächste Höhepunkt war die fulminante, stampfende Version von Sorrow mit einem ellenlange Gilmour Intro, ellenlangen Gilmour-Solo und ellenlangem Outro. Diesen Gitarrensound im Stadion zu hören war einfach unbeschreiblich und überwältigend. Hier kam zum ersten mal auch die Laser wirklich zum Einsatz, mit wellenförmigen Flächen passend zur röhrenden Gitarre. 

Der Ton war kristallklar gemischt und überwältigend laut. Dennoch kann ich mich nicht erinnern, dass mir nachher groß die Ohren gepfiffen haben. Der Sound war so perfekt, dass er für mich immer noch zum Maßstab für alle Stadien und Open Air Konzerte ist. Bislang habe ich so eine Perfektion nicht mehr gehört. Zur Lichtregie: So weit vorne stehend, ist mir an diesem Abend weniger die Lightshow als vielmehr die Gesten und das Agieren der Musiker auf der Bühne im Gedächtnis. Was mir im Vergleich zu vielen anderen Konzerten auffiel: Marc Brickman hatte es geschafft, zu jedem Song ein unverwechselbares Bühnenlicht zu gestalten, so dass man Fotos dieser Konzerte fast immer den jeweiligen Songs zuordnen kann (z.B. die Glühwürmchen an der Bühnenbasis in High Hopes, die “Zeichensatz”- Projektionen in Keep Talking, die blau /rot geteilte Bühne in den Strophen bei Comfortably Numb etc…). Das ist meiner Meinung nach eine große Qualität, solch erinnerungswürdige Bühnenbilder zu schaffen (Und nicht wie oft gesehen: alle Lampen an wenn es laut wird und alles blau bei den ruhigen Songs…)

Die erste Hälfte wurde klassisch mit One of these Days mit dem psychedelischen Mittelteil (während dessen sich Gilmour ein Bier holte und dann gemütlich auf die Bühne zurück kehrte) und Gilmours jaulendem Slide- Solo (in dem er 1994 – soweit ich mich erinnere- auch oft Sequenzen aus seinem Shine On you crazy Diamond Part 6-Solo einarbeitete) beschlossen. Die beiden tanzenden Schweine auf den Boxentürmen waren ein netter Gruß aus alten Zeiten, im Vergleich zu einer im ganzen Stadion herumfliegenden Gummisau eine etwas halbgare Idee. Zwei zum Preis von einem? Vor der Bühne wurde es merklich heiß, als die Flammenwerfer im Takt ihre Salven abschossen. Als sehr großzügig empfanden wir es, dass die Roadies den ersten Reihen in der Pause französisches Tafelwasser reichten um den Flüssigkeitsverlust – standesgemäß – auszugleichen.

Die zweite Hälfte begann mit Shine On You Crazy Diamond wie es nur David Gilmour und Rick Wright intonieren konnten. Die Abfolge Breathe (rep) / High Hopes / Great Gig in The Sky / Wish You Were Here war herzzerreißend schön. Ich erinnere mich wie Phil Taylor vor High Hopes die Lap Steel montierte und sie vor Great Gig gegen eine offenbar anders gestimmte tauschte. In dieser Zusammenstellung flossen die Songs wunderbar ineinander über und High Hopes fügte schon damals sich ebenbürtig zwischen die großen Klassiker.

Money hatte einen langen aber unterhaltsamen Introfilm. Im Mittelteil gab es einen bluesigen Jam, das wuchtige Zusammenspiel der beiden Drummer fiel mir hier besonders auf. Über Comfortably Numb muss man nicht viele Worte verlieren, die Versionen der 94 Tour gehen oft an oder über die 10 Minuten Grenze und ich erinnere wie ich dachte “jetzt muss er mit seinem Solo doch langsam zum Ende kommen” und erst dann ging das Licht auf der Bühne aus und die Spots auf die Riesendiskokugel über dem Mischpult an. Durch die Reflexionen der Kugel schien sich das Stadion taumelnd um sich selbst zu drehen während Gilmours Solo einfach nicht mehr enden wollte – für mich der größte und unvergesslichste Moment dieses Konzertes.

Hey You war insofern eine Überraschung, da es 1987-89 nicht im Programm war und eine alleinige Roger Waters-Komposition ist . Die Auswahl erschien mir etwas seltsam, wo Gilmour und Mason doch immer darauf bedacht waren den Eindruck zu erwecken als sei Roger mehr oder weniger hauptberuflich vor allen Dingen der Texter der Gruppe gewesen. Kein Frage, es ist einer der Höhepunkte aus The Wall und Gilmours Gitarrenparts tragen unverkennbar seine Handschrift. Bei dem Song erinnere ich noch einen extrem hastigen Gitarrenwechsel von der akustischen zu elektrischen Gitarre beim Tim Renwick. Run Like Hell war die erwartbare Zugabe und eigentlich nicht mehr notwendige Licht,- Ton-, Feuerwerk-Overkill. Nach der Explosion des runden Mr. Screens standen wir mit offen Mündern da und bewegten uns benommen mit der Masse langsam aus dem Stadion – allein das Verlassen des Parkplatzes sollte noch 2 Stunden dauern.  

Wir sahen zwei drei Wochen noch zwei weitere Konzerte der Tour: in Hannover mit Dark Side of the Moon (völlig überrascht von der geänderten Setlist, obwohl wir das Flugzeug für On the Run unter dem Stadiondach ausgemacht hatten (Wir dachten an In The Flesh)) und in Gelsenkirchen (wo wir in den Genuss kamen On The Turning Away und Poles Apart zu hören), die natürlich ebenfalls toll waren.

Mein erstes Pink Floyd Konzert ist mit aber in besonderer Erinnerung geblieben, auch wegen des ewig langen Wartens und es ist kaum zu glauben, dass es nun 15 Jahre her ist. Ich habe danach noch viel andere und begeisternde Konzerte gesehen (Dire Straits, Rolling Stones, U2, The Who, Page & Plant, Neil Young, Kraftwerk, Bob Dylan, Solo Shows von Gilmour und Waters, usw.) aber als Gesamtkunstwerk was Bühnenarchitektur, Lichtregie, Ton, und Songauswahl steht die The Division Bell-Show als Stadion / Arena Show für mich unerreicht da.