Arne, Henning & Tom on Tour - Konzerttagebuch

Roger Waters: This Is Not A Drill in Köln

Sheep

Mit knapp 80 Jahren tourt Roger Waters weiterhin um die Welt, hat immer noch Spaß daran und setzt weiterhin Maßstäbe. Seine aktuelle This is not a Drill Tour ist wieder ein gigantisches, multimediales Spektakel für Augen und Ohren. Nach der spektakulären, über den Zuschauern schwebenden Battersea-Powerstation, spielt die Band diesmal unter einem gigantischen TV-Screen in Kruzifix-Form in der Mitte der Halle. Natürlich gab es auch wieder fliegendes Getier. Die Animationen, die Sean Evans seit der The Wall Tour immer weiterentwickelt, laufen so perfekt synchron zur Musik, wie man es sonst nur von Kraftwerk kennt, oder eben von der The Wall bzw. Us & Them Tour. Bei Kraftwerk sorgt der vierte Roboter Falk Grieffenhagen auf der Bühne manuell für die Synchronisation, bei Waters sind es aufwändige Klicktracks und Midi-Queues. Der Sound ist bei uns im Oberrang in den Höhen manchmal etwas matschig, die Tiefen sind fett und laut. Weiter unten in der Arena dürfte der Sound demnach perfekt gewesen sein, was auch aus verschiedensten Berichten zu entnehmen ist.

Die Show ist keine familienfreundliche Best-of-Show, die den Künstler feiert. Sie ist politisch, die Aussagen deutlich und unmissverständlich.

Die Kritiker, die irgendwie nicht damit klarkommen, dass Waters vor Gericht gesiegt hat, oder gerne auf den Waters-Bashing-Zug aufspringen wollen, kritisieren mit Vorliebe, dass die Botschaften einen zu großen Raum einnehmen und zu platt, bzw. zu brutal sind. Dem kann ich nur entgegnen: „Was hast Du erwartet? If you can’t stand the heat in the kitchen, fuck off to the bar!“ Wer einen heimeligen Best-of-Abend erwartet, muss sich eben die Australien Pink Floyd Show ansehen.

Mit den inhaltlich problematischen Positionen hatten wir uns bereits ausführlich in diesem Kommentar zu Waters und dem Umgang damit in Deutschland auseinandergesetzt. Daher hier nur ein kurzer Exkurs: Vor der Halle „demonstrierte“ eine mit Mühe gerade einmal knapp zweistellige Anzahl von Menschen gegen Waters und bezeichnete ihn als Antisemiten. Gleich daneben stand eine mindestens doppelt so große Gruppe von Palästina-Flaggen-Schwenkern, die sich per Plakat bei Waters für sein Kommen bedankten. Dafür bedankte sich Roger in einer seiner Ansprachen und betonte, dass er beide Gruppen bei sich „an der Bar“ willkommen heißt. 

Ein klassischer Start

Zurück zur Show. Gestartet wird nach dem dramatischen Intro der 2022er Comfortably Numb-Version mit einer pompösen mit einer Crowd-Pleaser-Sektion bestehend aus der Wall Sektion von The Happies Days of Our Lives und Another Brick in the Wall Part 2&3.  

Another Brick in the Wall

Dazu werden die Zuschauer mit knalligen Botschaften bombardiert, wie es U2 Zoo-TV Bühne damals auch versucht hat. In der Waters Version fanden sie ihren Meister.

Das muss gesagt werden

Anschließend geben zwei überarbeitete Solo-Songs den inhaltlichen Ton der Show vor. The Powers That Be kommt aufpoliert und knackiger daher, in Kombination mit martialischen Bildern und Stories von Opfern der verhassten Obrigkeiten. Bei dem um eine Strophe erweiterten The Bravery of Beeing Out of Range sitzt Roger am Piano und verklimpert sich auch schon mal.

Kriegsverbrecher

Dann folgt mit The Bar ein neuer Song, bzw. ein Schnipsel des eigentlich viel längeren Songs. Dabei erzählt Roger eine interessante Geschichte zur Tour, die mir so auch noch nicht bekannt war: Ursprünglich sollte die This Is Not A Drill Tour eine Mischung aus Konzert und Kino sein. Das erklärt auch, warum er damals von Schauspielern sprach, die er anheuern wollte. Aus diesem Grund entstand auch der riesige LED-Screen in Kruzifix-Form. Das Konzert war dann wohl doch zu komplex und zu teuer in der Umsetzung. Daher ist man wieder zum klassischen Konzertformat zurückgekehrt, was mir ganz recht ist.

Der Back-Katalog

Nach The Bar widmet sich Roger seiner Pink Floyd Zeit. Währende der Songs tickern Fragmente einer Autobiographie über die Screens. Dadurch finde ich auch plötzlich wieder Gefallen an Wish You Were Here, einem Song, den ich mir über die Jahre hin sattgehört hatte. Auf der Us & Them Tour suchte ich immer nach einer Vorspulmöglichkeit.

Pink Floyd

Have A Cigar singt Roger selber, seine Stimme kippt dabei oft ab, wird dann schnell von den Backgroundsängerinnen gnädig unterfüttert.

Spätestens bei bei Shine On You Crazy Diamond (Parts 6–9) und Sheep merkt man, wie sehr die Band „on fire“ ist. Joey Waronker erweis sich als wahrer Glücksgriff. Er tut dem Waters-Sound bereits seit der letzten Tour richtig gut und arbeitet verdammt hart für seine Gage.

Plötzlich ist die erste Konzerthälfte auch schon vorbei, und es geht in die Pause.

Das Ende der Pause kündigen immer lauter werdende „Hammers! Hammers!“-Rufe an. Dann bricht die In The Flesh, Run Like Hell Sektion los, der Teil, den man laut Amtsgericht Frankfurt als „geschmacklos“ betrachten darf. Naja, darf man auch beeindruckend finden, wenn man versteht, worum es inhaltlich geht.

In The Flesh
Run Like Hell

Mit den Déjà-vu und Is This the Life We Really Want? Gibt es dann noch zwei Songs vom letzten Album, bevor Money und Us & Them den üblichen Endspurt einleiten. Die Version von Any Colour You Like war grandios, das Ende (Eclipse) fand wie üblich unter Laserpyramiden statt.

Eclipsed

Zugaben

Normalerweise gehen Bands an dieser Stelle von der Bühne ab, lassen sich zum Zugabenteil wieder auf die Bühne zurückklatschen und lassen die Stimmung dann kulminieren. Nicht so bei Roger Waters. Erst gibt es eine merkwürdig fahrige Ansage, die durch Gitarrenwechsel unterbrochen wird. Dann folgt eine schaurig schöne Version von Two Suns in the Sunset, einem Song über das nukleare Ende der Welt. Seine Ausführungen zur Gefahr von Atomwaffen wirken etwas aus der Zeit gefallen, irgendwo hat er ja recht.

Two Suns in the Sunset

Danach geht es noch kurz zurück an die Bar. Es wird mit der Band getrunken und dann wieder langatmig erklärt, worum es im folgenden weiteren Schnipsel von The Bar geht. Der Song geht dann über in eine Outside The Wall Version, bei der sich die Band nochmals mit einer Runde über die Bühne verabschiedet und dann wie die Gladiatoren die Arena verlässt. Auf den ersten Blick irritierend ungewöhnlich, auf den zweiten Blick dann doch mal erfrischend anders.

Setlist:

Set 1

Comfortably Numb (2022 Version)

The Happiest Days of Our Lives

Another Brick in the Wall (Part 2)

Another Brick in the Wall (Part 3)

The Powers That Be

The Bravery of Being Out of Range

The Bar

Have a Cigar

Wish You Were Here

Shine On You Crazy Diamond (Parts 6-9)

Sheep

Set 2

In the Flesh

Run Like Hell

Déjà-vu

Déjà Vu (Reprise)

Is This the Life We Really Want?

Money

Us and Them

Any Colour You Like

Brain Damage

Eclipse

Encore

Two Suns in the Sunset

The Bar (Reprise)

Outside the Wall

4 Kommentare

  1. Frank Hochmann

    Ein wunderbarer und sehr ausführlicher Konzertbericht. Ganz herzlichen Dank dafür!

  2. Sirratt

    Oh shit…, der beste Song aller Zeiten zu Beginn…?!?!?! Eigentlich ein “No Go…”! Aber da ja David das ÜBERSOLO nicht spielt…

  3. JD

    Sehr guter Bericht..
    Wir waren in Berlin und das Konzert war stellenweise atemberaubend und auch ergreifend, der Anfang war der Hammer und Gänsehaut pur!
    Ein großes Konzert mit klarer Message !!

  4. Döhring

    Sehr guter Bericht..
    Wir waren in Berlin und das Konzert war stellenweise atemberaubend und auch ergreifend, der Anfang war der Hammer und Gänsehaut pur!
    Ein großes Konzert mit klarer Message !!

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