Arne, Henning & Tom on Tour - Konzerttagebuch

A Different Point of View – Roger Waters im Berliner Doppelpack

Zwei verschiedene Shows zeitgleich in einer Halle

Als die Termine für die Europa-Tour bekannt wurden, kannten wir schon den Aufbau der Bühne inklusive dem Konzept der in der Hallenmitte schwebenden Battersea Powerstation. Daher wollten wir die Waters-Konzerte aus verschiedenen Positionen erleben. In Hamburg hatten wir uns für eine Position auf den seitlichen Tribünen in der Hallenmitte auf halber Höhe entschieden, um den besten Blick auf die Battersea Powerstation zu haben. In Berlin sollte es den besten Blick auf die Band geben, zu vertretbaren Preise, denn inzwischen sind die ersten Reihen bei Waters Konzerten auch Platin-Packages vorbehalten oder kosten Preise, die auch wir nicht bereit sind, für ein Konzert von Herrn Waters zu zahlen. So saßen wir in Reihe 13, der ersten Reihe mit vertretbaren Preisen, genau mittig unter den Rollos der BPS. Dann kam das Zusatzkonzert am Freitag in den Verkauf. Hier sollten die Tickets günstig sein und eine gute Sicht auf die Band bieten. Also entschieden wir uns für die erste Reihe in einem der vorderen Blocks des Oberrangs – übrigens keine optimale Wahl für Leute mit Höhenangst.

Von hier aus hatten wir sowohl die Leinwände in der Hallenmitte, als auch die Band gut im Blick. Nach dem Auftakt in Hamburg, sahen wir das erste Konzert in Berlin demnach auch wieder von der rechten Hallenseite. Wie in Hamburg war auch hier der Sound glasklar – in einer Halle, in der wir von Neil Young schon schlimmsten Soundbrei präsentiert bekommen haben. Respekt für das Soundteam von Waters, auch wenn es für unseren Geschmack etwas lauter sein konnte. Die Quadrophonie-Soundeffekte waren auch in dieser Position bemerkenswert. Ein technisches Problem auf unserer Hallenseite minderte den optischen Genuß in der 2. Konzerthälfte etwas. Einer der Beamer war ausgefallen und somit blieb eines der acht Kraftwerkssegmente farblos.

Am zweiten Abend saßen wir dann mit bester Frontalsicht auf die Band. Gleich beim Auftakt mit Speak to Me waren unsere Ohren aus dem Häuschen. Der Sound hier unten war nochmals um Klassen besser. Der Bass von One Of These Days war furchteinflößend. So muss es sein. Gerade im zweiten Teil der Show konzentriert man sich von den seitlichen Tribünen viel mehr auf die Animationen und Filme auf den Leinwänden.

Davon bekamen wir am Samstag praktisch gar nix mit, auch wenn wir schon wahrnahmen, dass wenige Meter über unseren Köpfen die Seilzüge der Leinwände ihre Arbeit taten.  Wir beobachteten der Band beim Spielen zu und sahen eine ganz andere Show als die Besucher auf den seitlichen Tribünen. Rogers Spielfreunde und seine gute Stimmung an diesem Abend war zum Greifen nahe. Es lohnt sich definitiv auf einer Waters Tournee mehrere Konzerte zu besuchen, nicht nur weil es immer neue Details des ausgefeilten Show-Konzeptes zu entdecken gibt.

 

 

Das letzte Konzert  unserer diesjährigen Waters-Konzertreihe werden wir übrigens in Köln von der linken Tribüne aus in sehen, nachdem wir in Hamburg und Berlin rechts saßen.

Die Begeisterung für Waters ist bei uns wieder aufgeflammt, nachdem die plötzliche Ankündigung von Nick Mason, auch im September auf Europa-Tour zu gehen uns in Ekstase und Vorfreude versetzte. Auch hier haben wir vor, diverse Konzerte zu besuchen. Kurzfristig hatten dadurch die noch anstehenden Waters Konzerte etwas an Bedeutung in unserer weiteren Jahresplanung verloren. Waters hat das an diesem Wochenende aber wieder angemessen einordnen können.

Eine antagonistische Diskussion

Freitag

Wie bereits in Hamburg nahm sich Roger an beiden Abenden nach der Bandvorstellung Zeit für eine Botschaft. Am Freitag nahm er sich viel Zeit. Thema ist natürlich sein Engagement für das BDS Movement, das ihm schon öfter Kritik einbrachte. Wie schon in Hamburg, zeigte sich Waters genau informiert über die Vorgänge in Deutschland rund um das BDS-Movement. So kritisierte er den seit Mai im Amt befindlichen Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung Felix Klein. Grundsätzlich hat der Mann, so führt es Waters unmissverständlich aus, eine wichtige Aufgabe, denn Antisemitismus findet Waters obszön.  Er kritisiert jedoch, dass Klein deutsche Banken davon zu überzeugen versucht, Konten zu schließen, die im Zusammenhang mit dem BDS-Movement stehen.

Wenn in den Onlineausgaben der Tageszeitungen am Folgetag dann einfach nur steht, „Eklat: Waters kritisiert den Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung in einer wirren Wutrede, der man kaum folgen kann“, dann ist das nebenbei gesagt keine journalistische Glanzleistung sondern stumpfes Clickbaiting – einen Backlink gibt es daher an dieser Stelle nicht.

Daher ist es für uns als jahrelange Waters Fans, die zwangsweise auch mit dieser Thematik konfrontiert werden, einmal an der Zeit auch ein paar Gedanken zu dem Thema loszuwerden:

In dem Konflikt, in den Waters sich einmischt, gibt es kein Gut und Böse, es gibt sicherlich Licht und Schatten auf beiden Seiten. Hier kann man sich nur die Finger verbrennen. Waters ist sicher kein Antisemit. Wer sich mit seinem Werk etwas auseinandergesetzt hat, erkennt dies schnell. Ihm geht es um die Einhaltung der Menschenrechte der palästinensischen Bevölkerung. Daher kritisiert er die Politik der israelischen Regierung, was ihn in meinen Augen nicht zu einem Antisemiten macht. Auch die damalige Kritik am Davidstern auf Waters fliegendem Schwein während der Wall-Tour ist unsinnig, weil verkürzt und verfälschend dargestellt. Auf dem Schwein waren die Symbole aller großen Weltreligionen vertreten. Waters als Atheist kritisiert damit jegliche Ansätze von „Im Namen von…“ Konflikte auszutragen.

Was er bei seinem Engagement für das BDS-Movement  nicht berücksichtigt oder verdrängt ist die Gefahr, dass bei solchen Bewegungen schnell antisemitisch denkenden Menschen auf den Zug mit aufspringen. Wer nicht aufpasst, hat schnell unangenehme Mitreisende. Die wenigsten Menschen wählen heutzutage die AfD, weil Sie den Euro abschaffen wollen. Hier muss Waters vorsichtig und wachsam sein, notfalls rechtzeitig die Reißleine ziehen und vom Zug abspringen, wenn unliebsame Mitreisende die Weichenstellung für die Weiterfahrt ändern.

*** kleines Update am 15.6.2018 ***

Nachdem der Münchner Oberbürgermeister von jemandem gehört hat, der jemanden kennt, der mal an der Lanxess Arena vorbeigefahren ist und meint, Roger Waters hätte wiederholt antisemitische Äußerungen von sich gegeben, hat sich selbiger OB entblödet, eine Pressemitteilung herauszugeben, die sinngemäß aussagt, dass der Antisemit Waters in München unerwünscht sei, man sein Konzert juristisch leider nicht mehr verhindern konnte und man ihm künftig keine Hallen mehr vermieten wolle. Dazu gab es auch einige ziemlich unsachliche Berichte vom BR, der Waters auch als Antisemit bezeichnet. Der BR-Beitrag wäre definitiv ein Fall für den Presserat. Um den Oberbürgermeister kümmert sich nun der bekannte Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Schertz  im Auftrag von Waters.

*** Update Ende ***

Kleine Randnotiz: Am Freitag spielten übrigens Nigel Godrich (Produzent des letzten Studio Albums  von Waters) und Tom York, den Waters kürzlich für seinen Auftritt in Israel heftig kritisiert hatte, im Berliner Tempodrom. Ob man sich nachmittags auf einen Kaffee traf, blieb bisher ungeklärt.

Samstag

Am Samstag nahm Waters dann an gleicher Stelle Bezug auf seine Wutrede vom Vortag, die er gerne wiederholen würde, aber seine Stimme würde das heute nicht mitmachen. Wen es interessiert, was er zu sagen hatte, könne ja jemanden fragen, der gestern da war, führte er aus. Trotzdem setzte er dann wieder an und knöpfte sich diesmal den WDR vor. Der habe erst sein Logo auf seine Karten gedruckt um die Show mit zu promoten, um sich hinter wieder zurückzuziehen. „Darüber werde ich mit dem WDR reden wenn wir in Köln spielen“, kündigte er an, um gleich darauf nachzufragen, ob sie denn demnächst auch in Köln spielen.

An beiden Abenden gab es seitens des Publikums übrigens Applaus für seine Ansprachen. Kritische Zuschauer, die scharenweise aus Protest den  Saal verließen, konnten wir nicht ausmachen.

Mutter muss leiden und wir warten immer noch auf sie

Durch die Doppelkonzertkonstellation hofften wir an einem der beiden Abende statt des Songs Mother das selten gespielte „Wait für her“ zu hören, was normalerweise nur bei zwei aufeinanderfolgenden Konzerten von Waters in die Setlist gehoben wird. Am Freitag, dem Termin des Zusatzkonzertes und somit des eigentlichen 2. Abend, warteten wir gespannt, was denn nun als vorletzter Song angestimmt wir. Zu unserem Erstaunen gab es weder Mother noch Wait for her. Es folgte lediglich das gesetzte Comfortably Numb – Finale.

Im ersten Moment schoben wir es noch Felix Klein in die Schuhe, den wir als Auslöser für die achtminütige Wutrede und somit als Zeitfresser und Grund für den Entfall des ersten Zugabensongs ausmachten.

Am  zweitenAbend hatte sich Roger schon die schwarze Akustik-Gitarre umgehängt, sie dann aber noch während der Rede auch wieder weggestellt. Lag es doch an der offenbar stark angegriffenen Stimme? Bandmitglied Ian Ritchie bestätigte es hinterher in seinem Blog: Grund für den Entfall von Mother waren tatsächlich stimmliche Probleme, nicht zeitliche. Glück gehabt, sonst wäre die Setlist auch noch zu einem Politikum geworden.

 

Setlist an beiden Abenden:

Set 1:

  1. Speak to Me (Intro)
  2. Breathe
  3. One Of These Days
  4. Time
  5. Breathe (Reprise)
  6. The Great Gig in the Sky
  7. Welcome To The Machine
  8. Déjà Vu
  9. The Last Refugee
  10. Picture That
  11. Wish You Were Here
  12. The Happiest Days of Our Lives
  13. Another Brick in the Wall (Part 2)
  14. Another Brick in the Wall (Part 3)

 

Set 2:

  1. Dogs
  2. Pigs (Three Different Ones)
  3. Money
  4. Us and Them
  5. Smell the Roses
  6. Brain Damage
  7. Eclipse
  8. Wutrede
  9. Comfortably Numb

1 Kommentar

  1. Manfred L

    Danke für den ausführlichen Bericht und die Kommentare – sehr plastisch und eindrucksvoll. Ich freue mich schon auf “mein” Kölner Konzert.

    Es wäre schön, wenn wir am 12.6. gemeinsam im RC die Konzerte nochmal besprechen …. VG manne

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