NIck Cave Elbphilharmonie Hamburg 20250621

Nach der doppelten Messe in Berlin im Vorjahr treffen wir Nick Cave in diesem Jahr in ganz anderem Rahmen wieder:  Nur mit Flügel und am Bass begleitet von Collin Greenwood in der Elbphilharmonie. Ein Konzert ganz im Gegensatz zu dem Großaufgebot, mit dem Nick im letzten Jahr die Arenen im Sturm erobert hat. Erwartungsgemäß waren die 2.100 Karten in wenigen Minuten vergriffen. Wir konnten uns ein paar Exemplare sichern, bevor ein Zusatztermin am Folgetag nachgeschoben wurde. Auch der war in wenigen Minuten ausverkauft. Am Veranstaltungstag wimmelte es vor der Halle dann auch nur so vor „Suche Karten“-Pappschildern.

Nach einem Bummel über die Landungsbrücken bei hochsommerlichen Temperaturen fuhren wir pünktlich zum Einlass die lange Rolltreppe zur Aussichtsplattform der Elbphilharmonie hoch, denn hier befindet sich der Eingang zum großen Saal. Dem Anlass, aber eben nicht dem Wetter angemessen, mit langer Hose und Hemd erreichten wir durchgeschwitzt das Foyer, in dem wir erstmal 40 Minuten auf die Öffnung der Saaltüren warten mussten. Genug Zeit für ein kühlendes Bier an den Gastro-Theken und einen Blick auf das Publikum. Glücklicherweise schienen es alles wirkliche Fans zu sein, kein Society-Publikum, dass kommt, weil es angesagt ist, dabei zu sein, wie man es oft in solchen Konstellationen erleben kann.  

Im Saal angekommen, stellt man dann wieder fest: Eigentlich gibt es in diesem Haus keinen schlechten Platz. Von überall aus ist die Sicht sehr gut. Durch den späten Einlass verdunkelte sich das Saallicht erst um 20.15 Uhr. Zuerst huscht Colin Greenwood auf die Bühne, dann erreicht der Applaus einen neuen Peak als Nick Cave das Parkett betritt und sich ans Piano setzt.

Elbphilharmonie in Amber

NIck Cave Elbphilharmonie Hamburg 20250621

Mit dem ersten Song Girl in Amber setzte Nick Cave auch schon die Lichtstimmung für den kompletten Abend in der Elbphilharmonie. Passend zum Farbton der stetig sichtbaren Stufenbeleuchtung waren auch die 2-3 unbeweglichen Spots und die handvoll Audience-Blinder, mit denen die Halle und das Publikum bei Bedarf in Szene gesetzt werden konnten, auf ein sanftes Amber-Weiß abgestimmt. Mehr braucht man in diesem Haus nicht.

Die Songs präsentiert er in der nackten Form, in der er sie normalerweise den Bad Seeds anliefert, die dann mit ihrer Magie daraus die gewaltigen Arenen-Kracher machen. Kurz denkt man bei dieser Erläuterung an die Konzerte in den Arenen, bei denen die Bad Seed mit ihrem Sound und dem oftmals nach vorne schiebenden Tempo diesen gewaltigen Sog entwickeln, der einen packt und mitreißt. Wird uns das gleich fehlen? Nein, keine Angst, die Songs sind auch mit kleinem Besteck allein durch die faszinierende Präsenz von Nick Cave fesselnd. Auch aus dieser völlig anderen Perspektive erkennt man die Songs wieder und taucht ein in die düsteren Erzählungen von Nick. Ich habe den sonst so geschätzten Warren Ellis erstaunlicherweise keine Sekunde an diesem Abend vermisst.

Radioheads Colin Greenwood, auch sonst Teil der Bad Seeds, doppelt auf dem Bass dezent die Tiefen von Caves linker Hand, blieb aber sonst recht unscheinbar, stand bei einigen Songs auch völlig unbeteiligt am Rand und schaute nur zu.

Der Aufbau einer kleinen PA zu unserer Seite und Lautsprechern im Halbkreis für die Zuschauer hinter der Bühne ließ erst Schlimmes befürchten, doch der Sound war an diesem Abend wunderbar. Inzwischen hat man wohl dazugelernt in der Elbphilharmonie.  Damals bei Father John Misty  versagte die sonst hochgelobte Halle noch bei den elektrischen Parts. „Schleppt bloß keine Verstärker in diese Halle!“, dachte ich mir damals. Scheint nicht mehr zu gelten.

Nick Cave ist in diesem Rahmen noch redseliger als sonst. Er genießt den Abend merklich, zeigt sich auch mehrfach begeistert von der Elbphilharmonie. Normalerweise feiert er mit dem Song „Balcony Man“, das Publikum auf den Plätzen im Rang, aber hier sei ja fast alles „Balcony“. Gespielte Verachtung für die „Floor People“ auf ihren teuren Sitzplätzen gab es obendrein. Während die Balcony People beim nächsten Song kräftig mitsingen sollten, galt für die Floor PeopleShut The Fuck Up!“. Später widmete er ihnen noch den Song Mercy Seat.

Aller guten Dinge sind drei

Dass hier nicht alles so ernst genommen wird, wie bei der Konzertmaschine in den Arenen, zeigt der Song Cinnamon Horses, dessen Anfang er gleich zweimal versemmelt. Beim zweiten Abbruch muss er bei Greenwood nachfragen, was er denn falsch macht: „It’s in the wrong time-signature, right?“ Geschenkt, der Song ist auch ohne Backing-Singers und Kesselpauken erhebend.

Die Setlist lässt sonst keine Wünsche offen: Ein klares Best Of-Set gespickt mit ein paar selten gespielten Nummern vom Dig, Lazarus, Dig Album. Dazu hat er sich überwunden, mal wieder in das mit schmerzhaften Erinnerungen verbundene Album Skeleton Tree reinzuhören und spielt dessen Titelsong.

NIck Cave Elbphilharmonie Hamburg 20250621

Mit Avalanche findet auch ein Leonard Cohen Cover und mit Cosmic Dancer ein T. Rex Cover in die Setlist. Trotzdem müssen wir auf Klassiker wie Jubilee Street und Push the Sky Away nicht verzichten.

Ganz zum Schluss gibt es Into My Arms das ergreifendste und unvermeidlichste Stück des Abends. Die ganze Halle ist eingeladen mitzusingen. Wo, wenn nicht in diesem Haus, löst das Gänsehaut aus.

Zum Schluss wird es nochmal elektrisch

Als einen die Rolltreppe in die laue Abendluft vor die Elbphilharmonie schubst, braucht man erstmal etwas um das Ganze zu verarbeiten. Bei einem Bier auf der Terrasse des gegenüberliegenden Bistros ist man sich schnell einig: Die Reise nach Hamburg hat sich definitiv gelohnt. Hier wurden keine Hardcore Fans gemolken, wie manch einer im Vorfeld unkte, sondern fast 2,5 Stunden ohne Pause abgeliefert. Danke Nick.

Per App wird ein MOIA-Taxi bestellt, das uns wenige Minuten später direkt vor der Elbphilharmonie einsammelt und elektrisch ins Hotel bringt. Perfekter Abschluss eines perfekten Abends.

NIck Cave Elbphilharmonie Hamburg 20250621

Selist:

  • Girl in Amber
  • Higgs Boson Blues
  • Jesus of the Moon
  • O Children
  • Cinnamon Horses
  • Galleon Ship
  • I Need You
  • Waiting for You
  • Joy
  • Papa Won’t Leave You, Henry
  • Balcony Man
  • The Mercy Seat
  • The Ship Song
  • Man in the Moon (Grinderman song)
  • The Weeping Song
  • Skeleton Tree
  • Jubilee Street
  • Push the Sky Away

Encore:

  • Avalanche (Leonard Cohen cover)
  • More News From Nowhere
  • Cosmic Dancer (T. Rex cover)
  • Into My Arms