Einer der Reize der angesagten Midlifecrisis-Sportart Rennradfahren ist der Umstand, dass man beim Pedalieren ganz nebenbei schöne Orte besucht, an die man sonst nie gekommen wäre. So verschlug mich eine lang geplante Ausfahrt am vergangenen Wochenende nach München und die Gelegenheit zum Besuch des legendären Puch Open Air bei Jetzendorf tat sich auf. Puch – schon mal gehört – die frühen The Notwist, Tocotronic und so. Robert Forster, Neu! und Element of Crime waren auch schon da.
Nach der 3D- und der Fassadenprojektions-Tour der letzten beiden Jahre kehren Kraftwerk nun mit der Multimedia-Tour zurück. Diesmal gibt es etwas überarbeitete Grafiken auf einer superscharfen LED-Wand, sonst nicht viel Neues. Daher hatten wir uns Kraftwerk 2025 eigentlich auch sparen wollen, als ein Auftritt bei den Jazz Open in Stuttgart im Rahmen einer European Summer-Festival-Tour angekündigt wurde. Stuttgart war einfach zu weit weg. Kurze Zeit später kam das Konzert im königlichen Park nahe Amsterdam hinzu. Das ist gut und ohne Übernachtung von uns auch zu erreichen. Die Karten waren schnell gebucht. Konnte ja niemand ahnen, dass einige Zeit später noch eine Winter-Indoor-Tour hinzukommt, bei der es neben Terminen an den üblichen Orten wie Berlin, München und Düsseldorf auch Auftritte an Orten wie Bielefeld oder Lingen gibt. Egal, SRT-OWL wird zusätzlich in Bielefeld dabei sein, die Berliner Sektion in Berlin.
Also rauf auf die A30 und ab in den königlichen Park, in dem jeden Sommer eine Konzertreihe stattfindet.
Den Southern Man hatten wir nicht auf unserer Setlist-Bingokarte. Neil Young weiß immer wieder mit Schätzen aus seinem großen Repertoire zu überraschen. Seit 1993 wurde dieser Song von ihm in Europa nicht mehr gespielt. Es gibt zwar eine grobe Setlist wie auf jeder Tour, doch Variationen von Tag zu Tag sind üblich. Der Ambulance Blues war erst tags zuvor zum Opener der Tour geworden und löste Sugar Mountain ab. Auf der Waldbühne klemmte die Sirene leider etwas: Tonprobleme verhunzten den ersten Song schwer. Dafür blies Hey Hey, My My (Into the Black) als zweiter Song alle Zweifel an der Qualität des kommenden Konzertes hinfort. Einen Tag später wanderte der Song ans Ende der Setlist. Die Setlist ist eh eine Sammlung von Zugaben. Alles (Live-)Hits. Neil Young hat mit seiner aktuellen Band The Chrome Hearts zwar gerade ein neues Album aufgenommen und veröffentlicht, aber er spielt keinen Song davon. Es gibt Wichtigeres.
Be The Rain
Spätestens nach der anschließenden elektrischen Version von Be the Rain wusste man: Der Kauf der Karten hat sich gelohnt.
Nach der doppelten Messe in Berlin im Vorjahr treffen wir Nick Cave in diesem Jahr in ganz anderem Rahmen wieder: Nur mit Flügel und am Bass begleitet von Collin Greenwood in der Elbphilharmonie. Ein Konzert ganz im Gegensatz zu dem Großaufgebot, mit dem Nick im letzten Jahr die Arenen im Sturm erobert hat. Erwartungsgemäß waren die 2.100 Karten in wenigen Minuten vergriffen. Wir konnten uns ein paar Exemplare sichern, bevor ein Zusatztermin am Folgetag nachgeschoben wurde. Auch der war in wenigen Minuten ausverkauft. Am Veranstaltungstag wimmelte es vor der Halle dann auch nur so vor „Suche Karten“-Pappschildern.
Nach einem Bummel über die Landungsbrücken bei hochsommerlichen Temperaturen fuhren wir pünktlich zum Einlass die lange Rolltreppe zur Aussichtsplattform der Elbphilharmonie hoch, denn hier befindet sich der Eingang zum großen Saal. Dem Anlass, aber eben nicht dem Wetter angemessen, mit langer Hose und Hemd erreichten wir durchgeschwitzt das Foyer, in dem wir erstmal 40 Minuten auf die Öffnung der Saaltüren warten mussten. Genug Zeit für ein kühlendes Bier an den Gastro-Theken und einen Blick auf das Publikum. Glücklicherweise schienen es alles wirkliche Fans zu sein, kein Society-Publikum, dass kommt, weil es angesagt ist, dabei zu sein, wie man es oft in solchen Konstellationen erleben kann.
Im Saal angekommen, stellt man dann wieder fest: Eigentlich gibt es in diesem Haus keinen schlechten Platz. Von überall aus ist die Sicht sehr gut. Durch den späten Einlass verdunkelte sich das Saallicht erst um 20.15 Uhr. Zuerst huscht Colin Greenwood auf die Bühne, dann erreicht der Applaus einen neuen Peak als Nick Cave das Parkett betritt und sich ans Piano setzt.
Die besten Konzerte des Jahres zu bestimmen und sie auch noch in eine Reihenfolge zu bringen, ist immer eine undankbare Aufgabe. Eine Art Optimierungsproblem in einem multidimensionalen Zielraum – kaum zu lösen, einiges fällt ungerechterweise unter den Tisch. Daher seien ein paar Konzerte außerhalb der Liste erwähnt:
Olli Schulz eröffnete das Konzertjahr mit einem wunderbaren warmherzigen Konzert im Bielefelder Ringlockschuppen. Ein schöner Abend, am Ende traf ich noch alte Studienfreunde, weil wir beide Konzertfotos in unseren WhatsApp-Status gestellt hatten und feststellten, nur wenige Meter getrennt das Konzert erlebt zu haben. Während die Massen an der Garderobe Schlange standen, tranken wir noch ein Bier bis uns der Sicherheitsdienst dann schlussendlich aus der Halle komplimentierte.
Wie immer ist es schwierig, die besten Konzerte auszuwählen. Beim Durchgehen von Listen, Fotos und anderen Dokumenten, lässt man das Jahr Revue passieren und denkt zurück.
Was hat mich berührt? Was war besonders? Warum schafft es dieser Gig nicht ganz nach vorn? Und man hat immer das Gefühl, morgen würde die Auflistung (in Teilen) womöglich anders aussehen.
Herbert Grönemeyer: 40 Jahre 4630 Bochum in Bochum
„Wascht Ihr doch Eure Autos“, dachte ich mir am Samstag, nachdem am Vorabend zwei Freunde beim Rudelgucken des wunderbaren 5:1 EM-Auftaktsiegs (6 Tore von Deutschland) erwähnten, dass sie am nächsten Tag zum Grönemeyer-Konzert nach Bochum fahren. Verdammt, da war doch was. Ich hatte die Tour wahrgenommen, die ersten Konzerte waren aber ausverkauft, bevor ich jemanden fragen konnte, ob Interesse besteht mal wieder Herbert Grönemeyer zu sehen. Mein letztes Grönemeyer-Konzert liegt erschreckenderweise 30 Jahre zurück.
Während andere schrubbten und polierten, suchte ich auf einem Online-Kleinanzeigen-Portal nach erkrankten Personen, deren Partner ein Ticket abzugeben haben. Mittags hatte ich dann die Zusage, im dreckigen Auto ging es nach Bochum und die Übergabe fand vor dem Stadion statt. So landete ich auf der Tribüne des Ruhrstadions.
Schöne neue Welt: “Uber Eats Music Hall” heißt die praktische Halle mit dem Charme eines gehobenen Multiplex-Kinos am gruseligsten Platz der Stadt jetzt also. Soll uns heute nicht weiter stören. Die Sitze sind gut, die Raumluft angenehm und die Soundanlage perfekt eingeregelt. Der Ton ist sogar so überragend, dass der Rezensent der Süddeutschen Zeitung später herausgehört haben will, dass die zum Einsatz kommenden Rasseln wohl “mit getrockneten Koboldaugen” gefüllt sein müssen…
Vor 35 Jahren besuchte ich mein erstes Pink Floyd Konzert. 56DM (inkl. VVK-Gebühr und Versand) kostete das Ticket damals, inflationsbereinigt sind das heutzutage gut 63€. Seither war ich auf 42 weiteren Pink Floyd Konzerten oder Konzerten von Pink Floyd Mitgliedern, flog dafür in die USA, nach London, nach Pompeji, reiste quer durch Deutschland bis in die Niederlande. Verrückt nennen sowas viele, Hobby ich und einige andere. Natürlich entstanden auch immer Kosten rund um die Konzertreisen, dafür leiste ich mir keine anderen kostspieligen Hobbys. Dazwischen besuchten wir auch sehr viele Konzerte von Kraftwerk, Lou Reed, Neil Young, The Who und diversen anderen Künstlern. Für Konzerttickets habe ich schon eine Menge Geld ausgegeben.
Ein knappes Jahr und rund 100 Konzerte liegen zwischen unserer letzten Begegnung mit Depeche Mode in Düsseldorf. Die Memento Mori Tour startete mit einigen Arena-Konzerten auf dem nordamerikanischen Kontinent, kam dann im Sommer in die Stadien Europas, kehrte in die Arenen Nordamerikas zurück und endete nun im vierten Leg mit zahlreichen Shows in europäischen Arenen. Die Berliner SRT-Fraktion konnte Depeche Mode schon vor sechs Wochen dabei sein. Köln ist der letzte Stopp der Tour.
Drei Konzerte gibt es hier zu sehen. Wir haben von den heißbegehrten Tickets ein paar für das erste der drei Konzerte in der Lanxess-Arena ergattern können. Für die Plätze im Unterrang auf Höhe der Ego-Zunge oder auch B-Stage verlangte Eventim 160 Euro, bei Ticketmaster wurden diese Plätze dank dynamic pricing für über 300 Euro angeboten. Da hört bei mir der Spaß auf. Die 160 Euro waren noch ok – Glück gehabt. Aus den Sitzplätzen wurden übrigens mit Beginn des Intros Stehplätze. Das Publikum war durchgehend im Partymodus.
A Question Of Lust
Was hat sich geändert? Unterscheiden sich Stadion- und Arena-Shows? Sind Gore und Gahan am Ende der Tour ausgebrannt? Lohnt sich ein mehrfacher Besuch bei diesen Preisen? Die Antworten sind ganz klar:
Ursprünglich wollten wir Air in Amsterdam sehen. Die Webseite des Paradiso brach beim Vorverkaufsstart allerdings zusammen.Auch für die Rückfalloption Berlin waren die Karten in wenigen Minuten schnell vergriffen. Keine Chance. Dann bemerkten wir auf der Seite des lokalen Veranstalters, dass weitere Termine nachgeschoben wurden. So buchten wir schnell Tickets für den zweiten Tag, noch bevor dieses (Zusatz-)Konzert offiziell von Air verkündet wurde.
Air Konzerte sind selten. Nur etwas mehr als 400 Konzerte listet setlist.fm seit der Bandgründung 1998 auf. Wir hatten das Glück, 2017 Air zusammen mit Kraftwerk zum Auftakt der Tour de France in Düsseldorf erleben zu dürfen. Sie nutzten dabei die mächtige PA von Kraftwerk, was die inneren Organe erbeben ließ. So basslastig war es an diesem Abend im Theater des Westens dann (leider) nicht.
“People Are People” und “Master and Servant” erblicken das Licht der Welt und laufen rauf und runter. Erst im Radio, dann auf Kassette.
Ein 17-jähriger, der mal nicht an das nächste Kriterium denkt und dem harten KJS- Alltag (Training/Schule/Training oder Schule/Training/Schule) in der knapp bemessenen Freizeit entrinnen will, tanzt zu diesen Songs durch die Diskotheken und Jugendklubs der Mauerstadt.
Frankfurter Allee, Schönhauser Allee. Only to name a few.
Die Haare und die Moves (noch) nicht so cool wie die von Dave G.