Ob mit den White Stripes, den Raconteurs, den The Dead Weather – Konzerte unter Mitwirkung von Jack White sind bislang immer ein Erlebnis. Das einzige Deutschland-Konzert seiner Tour zum aktuellen Album Lazaretto fand in der Alten Oper in Frankfurt statt. Der opulent verzierte, neobarocke Prachtbau überrascht im Inneren mit dem Charme einer 80-er-Jahre-Kongresshalle – die Holz-Vertäfelungen erinnern an westdeutsche Sparkassenfilialen und an der Saaldecke funkeln Metall-Paneele in Waschmaschinentrommel-Optik.
Das Konzert begann erwartungsgemäß wüst und ungestüm mit Icky Thump und dem Knochenbrecher-Instrumental High Ball Stepper. White lief auf der Bühne im Kreis wie ein Tiger im Käfig, kommandierte seine Band. Nach eigenen Angaben spielt er ja ohne vorgefertigte Setlisten und passt die Songauswahl jeweils gleitend der Publikumsreaktion an.
Gleich im dritten Song Lazaretto kam es zu einer Szene die den Rest des Konzertes prägen sollte: Im Mittelteil zögerte White den Einsatz des Slo-Mo-Riffs zunächst ewig hinaus und versuchte dabei wohl auszuloten, wie lange das Publikum die Stille zu ertragen im Stande wäre – bis ein Besucher ein launiges “Take Your Time, Jack” zurief. Dieser reagierte genervt, schnautze -sinngemäß-, dass er hier entscheide, wie schnell es wann weiter geht, wurschtelte noch einen schrammel-Exkurs ins Lied hinein und brachte das Stück dann krachend zu Ende. Danach gabs erstmal 10-Minuten Straf-Blues: Gene Vincent- und Howlin Wolf-Cover und eine Phase im Konzert, in der die akustischen Country-Balladen des aktuellen Albums Lazaretto dominierten. Lyrischer Themenschwerpunkt dabei: die Erwartungen an den Künstler, und wie er diese am besten nicht erfüllt. Hier und da wurden den Liedern neue Textzeilen verpasst.
Demonstratives Gähnen, Auf-die-Uhr-schauen (siehe Video bei etwa 2:30 Minuten) und leider teilweise auch gelangweiltes Heruntersingen, ließen uns etwas ratlos zurück. Ob White sich einfach einen Spaß machte oder an einem schlechten Tag unsouverän mit dem Zwischenrufer umging, ließ sich nicht recht erahnen. Vielleicht ist ja auch so eine Spannung notwendig, um die ungeheure Intensitiät zu ermöglichen mit der White zum Beispiel seine rabiaten Gitarren-Soli anstürmt. Die Band spielt jedenfalls nichts desto trotz druckvoll und voller Einsatz und Energie. Daru Jones am Schlagzeug bildete mit White eine pulsierende Einheit und folgte dem Arbeitgeber auf Schritt und Tritt durch seinen Improviationen und Wendungen. Lilly Mae Rische kleidete die Songs mit feinen Bluegrass und Country-Melodien auf Geige und Mandoline aus, lachte und hüpfte während White mürrisch herumwanderte.
Gegen Ende schien sich die Ärger etwas aufgelöst zu haben, White brachte das Set mit den White Stripes Klassikern Sugar Never tasted so good und Ball and an Biscuit zu Ende und kam dann doch noch einmal für eine lange Zugabe zurück. Höhepunkte dabei waren dabei u.a. die Blunderbuss-Stücke Love Interuption und Missing Pieces mit sensationellem Theremin-Spiel sowie der Wammy-Pedal-Brumm-Blues I’m Slowly Turning Into You. Leider fehlte uns die aktuelle epische Single Would You Fight For my Love. Das Risko besteht natürlich bei einem Künstler, der sich nicht ausrechnen lassen will und Auftritte nach seinen eigenen Regeln absolviert. Und eben deshalb auch einer der spannensten und energetischsten Rockmusiker unserer Zeit ist.
White erwähnte die ersten beiden Reihen kurz lobend, dankte den restlichen Besuchern noch sehr kurz angebunden für den “Kauf der Eintrittskarte” und das Erscheinen – und verschwand im Dunkelbau des Bühnenbilds.
Icky Thump
High Ball Stepper
Lazaretto
Dead Leaves and the Dirty Ground
Temporary Ground
Alone in My Home
Baby Blue
Cannon
I Asked for Water (She Gave Me Gasoline)
Just One Drink
Three Women
Sugar Never Tasted So Good
Entitlement
Weep Themselves to Sleep
Ball and Biscuit
Zugaben:
Hello Operator
Top Yourself
I’m Slowly Turning Into You
Love Interruption
Missing Pieces
Seven Nation Army